30.06.2021- Unwetter im Südburgenland

30.06.2021- Unwetter im Südburgenland

30.06.2021 – Unwetterlage im Südburgenland

 

Nach den Höhepunkten der Saison am 24. & 25. Juni, folgte am 30. Juni 2021 nochmals eine markante Gewitterlage vom Grazer Becken bis in Südburgenland. Da die Energiewerte, aufgrund der Ausgangslage nicht mehr hoch waren, hielten sich die Schäden sehr in Grenzen. Chasertechnisch waren die Zellen dennoch ein Augenschmaus und ein perfekter Abschluss für den rekordträchtigen Juni.

 

1. Synoptischer Verlauf

 

Am 29.06 liegt Österreich vor einem Höhentief über Frankreich. Vorderseitig dem zugehörigen Trog, werden feuchte & hoch labile Luftmassen Richtung Mitteleuropa geführt. Im relevanten Zeitraum, verlagert sich das Höhentief nur sehr langsam und unter Abschwächung Richtung Osten. Noch am Abend des 29.06 führen präfrontale Wellen zu hochreichender Konvektion an der Alpennordseite.

Am 30.06 ist Österreich bereits zweigeteilt. Während sich entlang der Noralpen bereits kühlere Luftmassen durchgesetzt haben, lagern südlich der Alpen nochmals labile Luftmassen mit viel konvektivem Potential.

Diese Phänomen sorgt von Kärnten, über das Grazer Becken bis ins Wechselgebiet immer wieder für starke Gewitterlagen. Die Kombination von schwachen Gradienten am Boden und das orographische Hinderniss des Alpenbogens, ermöglicht ein Rückdrehen des Winds südlich der Alpen und somit eine erneute Anströmung feucht warme Luftmassen in Bodennähe. Die Nähe zum korrespondierenden Tief sorgt außerdem für stärkere Wind in höheren Schichten. Diese Zutaten sind die perfekte Vorrausetzung für hochreichende organisierte Konvektion.

Lokalmodelle zeigen das vorhandene Potential südlich der Alpen. Bis zum späten Nachmittag können sich nochmals über 1000 J/kg ML CAPE aufbauen.

Ein Blick auf das morgentliche Sounding von Graz Flughafen, zeigt das Setup ausreichend. In der Höhe dominieren bereits starke Winde aus SW, am Boden herrrscht noch seichter NO-Wind aus der Nacht herraus. Mit einer DLS von >20m/s ist ausreichend Windscherung für hoch organisierte Konvektion vorhanden.

 

2. Ablauf der Gewitterlage und Chase

 

Ab Mittag nimmt die Lage ihren Lauf. Gegen 15 Uhr Ortszeit hat der Wind bereits auf Süd bzw. Ost rückgedreht. Nach ausreichend Einstrahlung werden nochmals 28°C Lufttemperatur mit 15°C bis 16°C  Taupunkt erreicht.

 

Ab dem frühen Nachmittag wird die Luftmassengrenze wieder aktiv und es bilden sich erste Schauer und Gewitter über dem Berg- & Hügelland

Gegen 16 Uhr bildet sich die erste markante Gewitterzelle im Flachland. Da die Zelle leider im flachen Gebiet ensteht, ist der Aufwind von Beginn an zum scheitern verurteilt. Eine Kombination aus vorhandenem Deckel und trockenen Luftmassen gegen Osten, lassen die Zelle regelrecht vertrocknen.

Gegen 16:40 enstehen folgende Bilder bei Stegersbach. Die laminaren Strukutren verweisen auf stabile bodennahe Luftmassen die vom Aufwind gehoben werden. Außerdem ist aufgrund der hohen Windscherung eine markante Trennung von Auf & Abwind erkennbar.

Im weiteren Verlauf stirbt der Aufwind aufgrund der stabilen Verhältnisse innerhalb kurzer Zeit.

Gegen 17:45 Uhr bildet sich im steirischen Hügelland eine neue Zelle mit deutlich besserer Ausgangslage. Eine rasche Verstärkung lässt auf beste Verhältnisse hoffen. Bei Szombathely sind noch die Überreste der ersten Zelle ersichtlich.

Bei Hartberg ein erste Blick auf den Aufwind.

Kurze Zeit später wirkt der Aufwind bereits deutlich organsierter. Die linearen, schwach organsierten Strukutren im nördlichen Teil der Echos verschwinden langsam und es bildet sich am südlichen Ende ein markanter Aufwindbereich aus.

Ca. 30 min später scherrt die Zelle bereits nach rechts aus und erreicht hohe Radarechos.

Anschließend entsteht bei Stegersbach folgendes Bild. Ersichtlich ist ein hoch organisierter Aufwindbereich mit wunderschönen Strukuren der Mesozyklone.

Kurz vor dem Überrollen der Zelle ensteht noch folgender Schnappschuss.

Die Zelle brachte im Abwindbereich kleinkörnigen Hagel und Windböen bis ca. 60km/h.

Gegen Osten wurde die Zelle schnell outflowdominant und löste sich innerhalb kurzer Zeit auf.

 

Quellen:

 

Radarbilder 5min Vorhersage (Kachelmann) & Stationsdaten (ZAMG) von https://kachelmannwetter.com

GFS Analysekarten von http://www1.wetter3.de

Radiosondenaufstieg (ZAMG) von http://www.rawinsonde.com/

23.02.2020 – Tief Yulia bringt Orkanböen

23.02.2020 – Tief Yulia bringt Orkanböen

Sturmtief Yulia – Bericht & Analyse

 

Am 23. Februar 2020 zog Sturmtief Yulia von den Beneluxstaaten, über Deutschland bis nach Osteuropa und brachte in Mitteleuropa verbreitet schwere Sturmböen bis ins Flachland. Anfangs noch in Wellenform, konnte sich in Polen im späteren Verlauf sogar noch das dazugehörige Bodentief ausbilden. In Österreich wurde an exponierten Bergstationen weit über 200 km/h gemessen, im flachen Gebiet brachten es offizielle Stationen auf 121 km/h. Folgend eine Analyse zur außergewöhnlichen Sturmlage…

1. Synoptischer Verlauf

Nach Sturmtief Petra und Orkantief Sabine, war Yulia bereits die dritte markante Tiefdruckentwicklung über Europa im Februar 2020. Immer wieder konnte sich eine gut ausgeprägte/glatte Frontalzone über Europa etablieren. Yulia nahm am 22.02 ihren Ursprung westlich von Irland und fand im verwellenden Frontensystem von Tiefdruckkomplex XANTHIPPE beste Bedingungen für eine kräftige Entwicklung. 

Während von den Azoren bis in den Mittelmeerraum Hoch Günter für ruhige Wetterverhältnisse sorgt, befindet sich Mitteleuropa am 23.02 um 6z unter einer leicht nordwestlich verlaufenden Frontalzone. In diese Frontalzone findet sich eine kurzwellige Störung, zu diesem Zeitpunkt nahe den Benelux Saaten. Am Atlantik ist bereits das (zukünftige) Sturmtief Zehra erkennbar.

23.02 6z RelTop

Gegen 12z findet sich die Warmfrontwelle auf der Höhe Deutschland wieder. Das kleinräumige Tief mit warmfrontartigen Anteilen bildet sich an der Warmfront vom nachkommenden Sturmtief Zehra. Durch Aufgleiteffekte fallen im Bereich der Welle von Großbritannien über die Benelux Staaten bis nach Deutschland großflächig starke Niederschläge. Weiterhin eingelagert in die Frontalzone verlagert sich Yulia bis zu den Abendstunden nach Südpolen.

In den Abenstunden befindet sich das Tief mit mittlerweile gut erkennbarer Frontverteilung über Südpolen. Mit dem Dryslot Einschub vertieft sich der Tiefkern zuvor auf ca. 990 hpa und bringt in Deutschland & Polen flächendeckend Sturmböen. In Polen bildet sich sogar das korrespondierende Bodentief. Über die Nachtstunden zieht die Störung nach Weißrussland ab.

Gegen 18z sind die extremen Gegensätze sichtbar. Der Tiefkern über Südolpen mit ca. 990hPa. Dagegen liegt das Zentrum des Hochdrucks zwischen Frankreich und der iberischen Halbinsel mit knapp über 1030 hpa.

Dazwischen Österreich…

23.02 18z RelTop

2. Sturm & Orkanböen für Österreich

In der Alpenrepublik führen lokale Effekte zur Beschleunigen des Winds. Bevor es ins Detail dieser Phänomene geht, die Charts mit den Spitzenböen.

Flach- & Hügelland:

  • 135 km/h Hainfelder Hütte(semi-professionelle Station)
  • 121 km/h Seibersdorf, Podersdorf
  • 115 km/h Reichenau an der Rax
  • 112 km/h Schwechat Flughaften
  • 111 km/h Eisenstadt

 Berg- oder stark exponierte Hügelstationen:

  • 245 km/h Schneeberg
  • 172 km/h Feuerkogel, Rax
  • 151 km/h Jauerling, Buchbergwarte
  • 125 km/h Wien-Jubiliäumswarte

In Österreich führt die aus Nordwest kommende Kaltfront entlang der Nordalpen zu einem Beschleunigungseffekt. Die Luftmassen im Warmlufsektor werden regelrecht gequetscht. Im Zuge dessen wird die bereits markante Höhenströmung weiter beschleunigt. Folgend die 850 hpa Schicht gegen 19 Uhr bzw. 1 Uhr Ortszeit:

Gegen 18z erreicht der Höhenwind in der 850hpa Schicht entlang der Alpen 75 knt Mittelwind. Einige Stunden später werden am östlichen Alpenrand sogar an die 80knt Mittelwind (!) (über 150 km/h) erreicht.

3. Westföhn im Lee des Alpenostrand

Um diese markanten Höhenwinde in untere Schichten zu mischen, braucht es im stabil geschichteten Warmluftsektor jedoch Absinkeffekte. Diese Mechanismen treten einerseits bei Fallböen im Zuge von konvektiven Ereignissen (Schauer & Gewitter) auf oder bei Überströmungseffekten von Gebirgen bzw. Hügellandschaften (Föhn).

Am Übergang ins Wiener Becken ist solch ein Effekt gegeben. Bei der Überströmung des Wiener Walds, der Fischauer Berge oder der Gutensteiner Alpen werden die Luftmassen an der windzugewandten Seite zum Aufsteigen bzw. Überströmen des Gebirges gezwungen. Im Lee sinken die Luftmassen wieder ab, beschleunigen + erwärmen sich und mischen dabei auch Winde aus höheren Schichten zu Boden.

Sind in bodennahen Schichen keine zähen Temperaturinversionen vorherschend, führt der Westföhn großflächig zu erhöhten Temperaturen und bei entsprechend Wetterlagen auch zu lokalen Orkanböen.

Gut erkennbar ist dieser Föhneffekt an der Temperaturanalyse vom 23.02. Während in Niederösterreich großflächig nur Höchstwerte von 17-18°C erreicht werden, schaffen es die Temperaturen im Lee des Alpenostrands auf 19-20°C, lokal vermutlich sogar an die 21°C. 

Auch bei den stärksten Windböen ist ein Maximum im Lee erkennbar. Da die Stationsabdeckung im relevanten Gebiet (mit Ausnahme Wiener Stadtgebiet) leider miserabel ist, blieben die stärksten Windböen unter dem Radar. Ortschaften mit lokalen Beschleunigungseffekten an Talausgängen wie Bad Vöslau oder auch Leobersdorf hätten am Höhepunkt sicher an die 140 km/h im Flachland geschafft…

Die Windmaxima in Seibersdorf & Podersdorf sind auf konvektive Fallböen zurückzuführen, nachdem um Mitternacht an der Kaltfront noch einige konvektive Schauer sich linienförmig organisieren konnten.

4. Der „Chase“

Als leidenschafftliche Chaser liesen wir uns diese spezielle Wetterlage natürlich nicht entgehen. Auf der Buchbergwarte versuchten wir auf einem exponierten Hügel inkl. Aussichtswarte Orkanböen einzufangen. Da sich auf der Warte auch eine Wetterstation der ZAMG befindet, hatten wir gute Referenzwerte als Vergleich.

Natürlich gehört zu solch einem Vorhaben auch eine gewissen Leidenschaft und ein „gsunder Klescher“ dazu. An der über 22,5 m hohen Warte wurden am Höhepunkt über 150km/h gemessen. Trotz verankerter Stahlseile zur Sicherungen der Warte, war diese konstant am Schwanken und die Holzkonstruktion gab entsprechende Geräusche von sich. Bei ca. 15°C Lufttemperatur um 23 Uhr Mitte Februar (!!) und Orkanböen war dies ein besonderes Erlebnis.

Nicht für jedermann geeignet…

Anschließend noch einige bildliche Eindrücke des Chase:

Unser mit Handanemometer gemessener Maximalwert. Aufgrund des Aufbaus der Buchbergwarte, ist die Aussichtsplattform etwas windgeschützt. Deshalb ist es auch relativ schwierig, die maximale Böenstärke einzufangen.

Hier ein Video beim Aufstieg zur Aussichtsplattform. Zeigt sehr gut die vorhandene Windstärke. Bitte auch auf die Geräuschkulisse achten.

Folgendes Video zeigt die Geräuschkulisse in der Warte und wie der Wind die gesamte Warte zum Schwanken bringt. Sehr eindrucksvoll.

Zuammenfassend…

Ein Tag der so schnell nicht aus den Erinnerungen verschwindet. Trotz der lokalen Orkanböen, hielten sich die Schäden in Österreich erfreulicherweise in Grenzen. Am 27.02 folgte mit Sturmtief Bianca das letzte Sturmtief der Saison. Bianca blieb, meteorologisch gesehen, jedoch unter den Erwartungen und brachte mit Schwerpunkt SBG/Oberösterreich „nur“ vereinzelt schwere Sturmböen.

 

 

Quellen:

 

GFS Analysekarten von http://www1.wetter3.de und wetterzentrale.de