23.02.2020 – Tief Yulia bringt Orkanböen

23.02.2020 – Tief Yulia bringt Orkanböen

Sturmtief Yulia – Bericht & Analyse

 

Am 23. Februar 2020 zog Sturmtief Yulia von den Beneluxstaaten, über Deutschland bis nach Osteuropa und brachte in Mitteleuropa verbreitet schwere Sturmböen bis ins Flachland. Anfangs noch in Wellenform, konnte sich in Polen im späteren Verlauf sogar noch das dazugehörige Bodentief ausbilden. In Österreich wurde an exponierten Bergstationen weit über 200 km/h gemessen, im flachen Gebiet brachten es offizielle Stationen auf 121 km/h. Folgend eine Analyse zur außergewöhnlichen Sturmlage…

1. Synoptischer Verlauf

Nach Sturmtief Petra und Orkantief Sabine, war Yulia bereits die dritte markante Tiefdruckentwicklung über Europa im Februar 2020. Immer wieder konnte sich eine gut ausgeprägte/glatte Frontalzone über Europa etablieren. Yulia nahm am 22.02 ihren Ursprung westlich von Irland und fand im verwellenden Frontensystem von Tiefdruckkomplex XANTHIPPE beste Bedingungen für eine kräftige Entwicklung. 

Während von den Azoren bis in den Mittelmeerraum Hoch Günter für ruhige Wetterverhältnisse sorgt, befindet sich Mitteleuropa am 23.02 um 6z unter einer leicht nordwestlich verlaufenden Frontalzone. In diese Frontalzone findet sich eine kurzwellige Störung, zu diesem Zeitpunkt nahe den Benelux Saaten. Am Atlantik ist bereits das (zukünftige) Sturmtief Zehra erkennbar.

23.02 6z RelTop

Gegen 12z findet sich die Warmfrontwelle auf der Höhe Deutschland wieder. Das kleinräumige Tief mit warmfrontartigen Anteilen bildet sich an der Warmfront vom nachkommenden Sturmtief Zehra. Durch Aufgleiteffekte fallen im Bereich der Welle von Großbritannien über die Benelux Staaten bis nach Deutschland großflächig starke Niederschläge. Weiterhin eingelagert in die Frontalzone verlagert sich Yulia bis zu den Abendstunden nach Südpolen.

In den Abenstunden befindet sich das Tief mit mittlerweile gut erkennbarer Frontverteilung über Südpolen. Mit dem Dryslot Einschub vertieft sich der Tiefkern zuvor auf ca. 990 hpa und bringt in Deutschland & Polen flächendeckend Sturmböen. In Polen bildet sich sogar das korrespondierende Bodentief. Über die Nachtstunden zieht die Störung nach Weißrussland ab.

Gegen 18z sind die extremen Gegensätze sichtbar. Der Tiefkern über Südolpen mit ca. 990hPa. Dagegen liegt das Zentrum des Hochdrucks zwischen Frankreich und der iberischen Halbinsel mit knapp über 1030 hpa.

Dazwischen Österreich…

23.02 18z RelTop

2. Sturm & Orkanböen für Österreich

In der Alpenrepublik führen lokale Effekte zur Beschleunigen des Winds. Bevor es ins Detail dieser Phänomene geht, die Charts mit den Spitzenböen.

Flach- & Hügelland:

  • 135 km/h Hainfelder Hütte(semi-professionelle Station)
  • 121 km/h Seibersdorf, Podersdorf
  • 115 km/h Reichenau an der Rax
  • 112 km/h Schwechat Flughaften
  • 111 km/h Eisenstadt

 Berg- oder stark exponierte Hügelstationen:

  • 245 km/h Schneeberg
  • 172 km/h Feuerkogel, Rax
  • 151 km/h Jauerling, Buchbergwarte
  • 125 km/h Wien-Jubiliäumswarte

In Österreich führt die aus Nordwest kommende Kaltfront entlang der Nordalpen zu einem Beschleunigungseffekt. Die Luftmassen im Warmlufsektor werden regelrecht gequetscht. Im Zuge dessen wird die bereits markante Höhenströmung weiter beschleunigt. Folgend die 850 hpa Schicht gegen 19 Uhr bzw. 1 Uhr Ortszeit:

Gegen 18z erreicht der Höhenwind in der 850hpa Schicht entlang der Alpen 75 knt Mittelwind. Einige Stunden später werden am östlichen Alpenrand sogar an die 80knt Mittelwind (!) (über 150 km/h) erreicht.

3. Westföhn im Lee des Alpenostrand

Um diese markanten Höhenwinde in untere Schichten zu mischen, braucht es im stabil geschichteten Warmluftsektor jedoch Absinkeffekte. Diese Mechanismen treten einerseits bei Fallböen im Zuge von konvektiven Ereignissen (Schauer & Gewitter) auf oder bei Überströmungseffekten von Gebirgen bzw. Hügellandschaften (Föhn).

Am Übergang ins Wiener Becken ist solch ein Effekt gegeben. Bei der Überströmung des Wiener Walds, der Fischauer Berge oder der Gutensteiner Alpen werden die Luftmassen an der windzugewandten Seite zum Aufsteigen bzw. Überströmen des Gebirges gezwungen. Im Lee sinken die Luftmassen wieder ab, beschleunigen + erwärmen sich und mischen dabei auch Winde aus höheren Schichten zu Boden.

Sind in bodennahen Schichen keine zähen Temperaturinversionen vorherschend, führt der Westföhn großflächig zu erhöhten Temperaturen und bei entsprechend Wetterlagen auch zu lokalen Orkanböen.

Gut erkennbar ist dieser Föhneffekt an der Temperaturanalyse vom 23.02. Während in Niederösterreich großflächig nur Höchstwerte von 17-18°C erreicht werden, schaffen es die Temperaturen im Lee des Alpenostrands auf 19-20°C, lokal vermutlich sogar an die 21°C. 

Auch bei den stärksten Windböen ist ein Maximum im Lee erkennbar. Da die Stationsabdeckung im relevanten Gebiet (mit Ausnahme Wiener Stadtgebiet) leider miserabel ist, blieben die stärksten Windböen unter dem Radar. Ortschaften mit lokalen Beschleunigungseffekten an Talausgängen wie Bad Vöslau oder auch Leobersdorf hätten am Höhepunkt sicher an die 140 km/h im Flachland geschafft…

Die Windmaxima in Seibersdorf & Podersdorf sind auf konvektive Fallböen zurückzuführen, nachdem um Mitternacht an der Kaltfront noch einige konvektive Schauer sich linienförmig organisieren konnten.

4. Der „Chase“

Als leidenschafftliche Chaser liesen wir uns diese spezielle Wetterlage natürlich nicht entgehen. Auf der Buchbergwarte versuchten wir auf einem exponierten Hügel inkl. Aussichtswarte Orkanböen einzufangen. Da sich auf der Warte auch eine Wetterstation der ZAMG befindet, hatten wir gute Referenzwerte als Vergleich.

Natürlich gehört zu solch einem Vorhaben auch eine gewissen Leidenschaft und ein „gsunder Klescher“ dazu. An der über 22,5 m hohen Warte wurden am Höhepunkt über 150km/h gemessen. Trotz verankerter Stahlseile zur Sicherungen der Warte, war diese konstant am Schwanken und die Holzkonstruktion gab entsprechende Geräusche von sich. Bei ca. 15°C Lufttemperatur um 23 Uhr Mitte Februar (!!) und Orkanböen war dies ein besonderes Erlebnis.

Nicht für jedermann geeignet…

Anschließend noch einige bildliche Eindrücke des Chase:

Unser mit Handanemometer gemessener Maximalwert. Aufgrund des Aufbaus der Buchbergwarte, ist die Aussichtsplattform etwas windgeschützt. Deshalb ist es auch relativ schwierig, die maximale Böenstärke einzufangen.

Hier ein Video beim Aufstieg zur Aussichtsplattform. Zeigt sehr gut die vorhandene Windstärke. Bitte auch auf die Geräuschkulisse achten.

Folgendes Video zeigt die Geräuschkulisse in der Warte und wie der Wind die gesamte Warte zum Schwanken bringt. Sehr eindrucksvoll.

Zuammenfassend…

Ein Tag der so schnell nicht aus den Erinnerungen verschwindet. Trotz der lokalen Orkanböen, hielten sich die Schäden in Österreich erfreulicherweise in Grenzen. Am 27.02 folgte mit Sturmtief Bianca das letzte Sturmtief der Saison. Bianca blieb, meteorologisch gesehen, jedoch unter den Erwartungen und brachte mit Schwerpunkt SBG/Oberösterreich „nur“ vereinzelt schwere Sturmböen.

 

 

Quellen:

 

GFS Analysekarten von http://www1.wetter3.de und wetterzentrale.de